Internationaler Dialog:
Wirtschaft und Wissenschaft
Erfolgreiche Educon 2015 in Karlsruhe
"Wie können Industrie und Wissenschaft stärker verzahnt werden?" Dies war eine der zentralen Fragen der Educon 2015 im Kongresszentrum Karlsruhe am 6. und 7. Oktober 2015 - ein internationaler Dialog.
Dr. Frank Mentrup Foto: wow
„Die Konferenz ist eine wunderbare Gelegenheit für die Delegierten aus Indien, Deutschland und Israel, sich in Karlsruhe inmitten von Europa über wichtige Fragen von Bildung, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik auszutauschen“, betonte Karlsruhes Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup: „Arbeiten Sie zusammen an der Entwicklung neuer Ideen und der Lösung von aktuellen und künftigen Problemen." Die Educon wird von der Stiftung „Delivering Change Foundation“ (DCF) veranstaltet. Die unabhängige Stiftung versteht sich als Partner von Regierungen und Kommunen mit dem Ziel der Weiterentwicklung und der Begleitung von Veränderungsprozessen.
Denn Indien steht als eine der bevölkerungsreichsten Volkswirtschaften vor großen Herausforderungen. Nur 4,56 Prozent der indischen Bevölkerung verfügt über eine Berufsausbildung, 25 Prozent der Ingenieure haben nach Einschätzung der Industrie starke Defizite in ihrer beruflichen Qualifikation.
So müsse das Land "von den besten Bildungssystemen der Welt lernen", wie Abhijit Pawar, MD Sakal Media Group, sowie Gründer und Vorsitzender der Stiftung „Delivering Change Foundation“ (DCF) betonte. Es sei hierbei sehr bedeutsam, mit anderen Ländern zu kooperieren und Partnerschaften einzugehen: „Wir benötigen Zugang zu den verschiedensten Qualifikationen und wir müssen hier von den Besten der Besten lernen. Hier müssen wir realisieren, dass wir ein neues Bildungssystem aufbauen müssen.“ Die Bildung der Zukunft brauche hier auch Edutainment-Konzept, das zum Beispiel auch Gamification-Prozesse oder neue Medien mit einbezieht.
Nach Stationen in Paris, Istanbul, Dubai, Malaysia oder Shanghai ist die Educon 2015 in Karlsruhe. Wie gut dieser Standort gewählt ist, verdeutlichte ein Referent im Rahmen seiner Präsentation: „Karlsruhe ist das Silicon Valley Deutschlands“, so Dr. Satish V. Kulkarni, ehemaliger Abteilungsleiter beim Lawrence Livermore National Laboratorium - und Geschäftsführender Direktor des Labor Programms an der Universität von Kalifornien.
Bei ihrer elften Ausgabe wurde ein starker Austausch zwischen Industrie und Wissenschaft geführt.
Hierbei erörterten Experten aus Indien, Deutschland oder Israel den Fachkräftemangel und wie diesem begegnet werden kann. Karlsruhe wurde bewusst als Veranstaltungsort gewählt, denn die Stadt steht schon seit 2007 mit Pune in engem Kontakt und intensiviert seitdem immer stärker diese Kooperation.
Shobha Mishra Ghosh, die Senior Direktorin von FICCI, der größten und ältesten indischen Spitzenorganisation für Wirtschaft, referierte über „die Beziehung von Industrie und Wissenschaft“ und formulierte hierbei auch eine Vision für die Hochschul-Bildung bis 2030: In Indien steht ein demographischer Wandel an. Heute leben dort 1,25 Milliarden Menschen und jeder dritte Mensch ist heute zwischen 15 und 32 Jahre alt. Bereits 2020 wird Indien das jüngste Land der Welt sein, denn 64 Prozent seiner Bevölkerung werden dann laut UN-Prognose dieser Altersgruppe angehören. Ebenso wird Indien dann über den größten Pool an in Hochschulen ausgebildeten Menschen verfügen.
Smart Cities benötigen umfassende Entwicklungs-Konzepte
Insofern seien laut Ghosh auch die Erwartungen an das Label „Make in India“ sehr hoch. Hierbei ginge es insbesondere um die Entwicklung der Smart Cities und von „Digital India“. Denn schon heute leben 81 Prozent der indischen Bevölkerung in Städten und immerhin haben 100 Städte das Potenzial, zu Smart Cities zu werden, mit smarten und intelligenten Gebäuden, smarten Energietechnologien wie Solarenergie, Windkraft, Wasserkraftwerken oder Biokraftstoffen, aber auch schnellen öffentlichen Verkehrssystemen, Recyclingkonzepten und Reststoffe-Verwertung sowie Konzepten zur Nutzung von Regenwasser. Zudem finden in den Städten 63 Prozent der wirtschaftlichen Aktivitäten des Landes statt.
„Make in India“ besteht aus 24 Wirtschafts-Sektoren und hier besteht der Bedarf an 20 Millionen qualifizierten Arbeitskräften. Von großer wirtschaftlicher Bedeutung wird „Digital India“, denn hier wird geschätzt, dass in diesem Branchenzweig bis zum Jahr 2019 insgesamt 17 Millionen konkrete Jobprofile im IT- und Kommunikationsbereich und 85 Millionen indirekte Jobs entstehen werden. Der Bedarf an entsprechenden Qualifikationsund Bildungsinitiativen sowie Training- und Ausbildungszentren, die qualifizierte Arbeitskräfte heranbilden und die so die verschiedenen Produktionsstätten stärken, wächst schon heute stetig an. Wie fruchtbar Kooperationen und Vernetzungen für smarte Technologien sein können, zeigte Dr. Kym Watson, vom Fraunhofer IOSB, im Rahmen seines Vortrags über den aktuellen Entwicklungsstand von Anwendungen für das Internet der Dinge sowie Dienstleistungen für smarte Fabriken auf. Hierbei setzt das Fraunhofer auf strategische Partnerschaften, Großprojekte mit verschiedenen Partnern und internationale Kooperationen sowie strategische Partnerschaften, Innovations-Cluster und Spin-Ofs. So können unterschiedlichste smarte Geräte, zum Beispiel Autos, Straßenbahnen, Smartphones, Kameras, Verkehrszeichen oder Straßenbeleuchtungen, über das Internet miteinander verbunden oder angesteuert werden, ortsunabhängig und über Landesgrenzen hinweg. Doch auch Produktionsprozesse können hierüber gesteuert werden, wie Watson an einem IOSB Smart Factory-Modell aufzeigte.
Karlsruhe lockt als internationaler Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort
Über die bisherigen und künftigen Bestrebungen der Intensivierung der Kooperation zwischen Karlsruhe und Indien sprach Dr. Mentrup im Rahmen seiner Begrüßungsansprache am Mittwoch, 7. Oktober. „Es bestehen vielfältige Kontakte nach Indien, die wir gerne einbringen möchten, zum Beispiel das Indo German Network Karlsruhe. Längst ist daraus ein effektives Netzwerk geworden“, erklärte Mentrup. Zudem wurde das „Memorandum of Understanding“ mit der Handelskammer in Pune formuliert, an das auch im Rahmen der Educon angeknüpft werden sollte. Für Indien besonders interessant sein dürfte aus Sicht des Karlsruher Oberbürgermeisters die enge Verflechtung von Wirtschaft und Wissenschaft, die in Karlsruhe aktiv gelebt würde und sich gerade auch durch zahlreiche Ausgründungen von Hochschulabsolventen in der TechnologieRegion Karlsruhe niederschlagen würde. Diese anwendungsorientierte Wissenschaft, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Hochschule für Technik und Wirtschaft, die Duale Hochschule, die drei Fraunhofer-Institute vor Ort oder auch das
Forschungszentrum Karlsruhe sowie das Cyberforum mit über 1.000 Mitgliedern machen Karlsruhe zum drittgrößten IT-Cluster in Europa. Diese ausgefeilten und zukunftsweisenden Wirtschafts- und Wissenschafts-Strukturen könnten so auch als Blaupause für Indien dienen.
Über große Ziele reden, aber in kleinen Schritten zu gehen - werde die Aufgabe auch für die Administration dieses Austauschprozesses sein. Hier sei aber wichtig: „Sich auf den Weg zu machen und nicht nur über den Weg zu reden und sich gemeinsamen Zielen anzunähern“, so Dr. Mentrup. Daher hofft er, dass die Educon keine einmalige Veranstaltung in Karlsruhe sein wird. (ps)